Wo der Mensch bleibt und genau darin unsere Zukunft liegt
Wo der Mensch bleibt – und warum genau darin unsere Zukunft liegt
„Barbara, Hand aufs Herz – brauchen wir in zehn Jahren überhaupt noch Menschen im Job?“
Solche Fragen begegnen mir immer häufiger – nicht nur in Führungskreisen, sondern auch auf Podien, bei Interviews oder abends am Tisch nach einem langen Seminartag.
Künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig. Sie wird schneller, schlauer, und gefühlt auch allwissender. Und während sie alles Mögliche übernimmt, stellt sich logischerweise die Frage: Was bleibt dann eigentlich noch für uns?
Meine Antwort?
Eine ganze Menge. Denn was uns als Menschen auszeichnet, lässt sich nicht einfach programmieren. Es ist nicht nur, was wir tun – sondern wie wir sind.
11 Gründe, warum der Mensch bleibt
1. Wir suchen Erkenntnis.
KI verarbeitet Information – sie sucht nicht nach Wahrheit. Menschen sind getrieben von Neugier, von dem Wunsch, die Welt zu verstehen – und sich selbst. Unser Streben nach Erkenntnis geht über Daten hinaus: Wir wollen Sinn, Zusammenhang, Bedeutung erfassen. Nur wir stellen Fragen wie „Warum?“ und „Was bedeutet das für mich, für uns, für die Welt?“ KI liefert Antworten – nur der Mensch sucht nach Erkenntnis.
2. Wir fühlen.
KI erkennt Emotionen – aber sie erlebt keine. Ein Mensch spürt, wenn etwas kippt – im Gespräch, im Raum, im Miteinander. Diese feinen Antennen, dieses Gespür für Zwischentöne und Atmosphären – das bleibt unverwechselbar menschlich. Wir sind Resonanzkörper – nicht nur Sensoren.
3. Wir denken über uns selbst nach.
Reflexion ist keine Rechenleistung. Nur wir Menschen können unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen bewusst beleuchten – und uns verändern. KI kann Reflexion simulieren. Der Mensch kann sich selbst hinterfragen – und wächst daran.
4. Wir haben ein Bewusstsein.
KI kennt Daten. Wir erleben Bedeutung. Unser Ich-Bewusstsein – das Wissen, dass wir sind und wie wir sind – ist der tiefste Unterschied. Bewusstsein ist kein Produkt von Trainingsdaten, sondern von Erfahrung und Existenz.
5. Wir sind kreativ.
Nicht Copy & Paste, sondern echtes Neues: Menschen erschaffen Kunst, Ideen, Utopien. KI kann variieren, kombinieren, nachbauen. Der Mensch kann visionieren, träumen, radikal neu denken. Innovation entsteht aus Mut, Imagination und dem Sprung ins Unbekannte – nicht aus Rechenleistung.
6. Wir entscheiden frei.
Algorithmen folgen Logik. Menschen? Treffen manchmal Entscheidungen jenseits der Vernunft – aus Überzeugung, aus Liebe, aus Haltung. Unsere Willensfreiheit macht uns unberechenbar. Und genau darin liegt unser Potenzial.
7. Wir handeln nach Werten.
KI kennt keine Ethik. Sie kennt nur Regeln und Optimierungen. Menschen wägen ab, übernehmen Verantwortung, stehen ein, sagen Nein oder Ja – aus Gründen, die kein Algorithmus je erfassen kann. Wertebewusstsein ist nicht programmierbar.
8. Wir halten Widersprüche aus.
Während KI schwarz oder weiß denkt, leben wir in Grauzonen. Wir ertragen Spannungen, Ambivalenzen, Unsicherheiten – und können darin Orientierung geben. Ambiguitätstoleranz ist kein Fehler im System, sondern unsere Stärke.
9. Wir haben Intuition.
Bevor unser Verstand analysiert, weiß etwas in uns oft schon, was richtig ist. Diese tief verwurzelte Intelligenz – gespeist aus Erfahrung, Körperwahrnehmung und Gefühl – bleibt für KI ein Mysterium. Oft ist sie unser bester Kompass.
10. Wir entwickeln Sinn.
KI erkennt Muster. Der Mensch sucht nach Bedeutung. Wir fragen nach dem „Warum“ – nicht nur für Prozesse, sondern für das Leben selbst. Sinnstiftung, Orientierung, Existenzfragen – das ist zutiefst menschlich.
11. Wir verbinden uns.
Kein System der Welt kann ersetzen, was zwischen Menschen entsteht: Vertrauen, Nähe, Zugehörigkeit. Wir brauchen Resonanz – um zu wachsen, zu führen, zu leben. Beziehung ist keine Datenverbindung, sondern Begegnung.
Fazit: Mensch führt. Technologie folgt.
Wir müssen uns nicht über KI definieren, sondern über uns selbst neu bewusst werden.
Die Herausforderung ist nicht, mit Maschinen Schritt zu halten – sondern das Menschliche mutig zu verkörpern.
Nur so nutzen wir Technologie sinnvoll: als Werkzeug – nicht als Konkurrent. Und vielleicht ist das die neue Daseinsberechtigung des Menschen im digitalen Zeitalter: Menschlichkeit sichtbar machen. Führbar machen. Lebbar machen.
Autorin: Barbara Liebermeister
Über die Autorin Barbara Liebermeister
Barbara Liebermeister ist Gründerin und Leiterin des IFIDZ – Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter. Als Managementberaterin, Coach und Vortragsrednerin verbindet sie Wirtschaftserfahrung mit wissenschaftlichem Tiefgang und hat mit dem Begriff Alpha Intelligence® ein Konzept geprägt, das die entscheidenden Fähigkeiten moderner Führungskräfte auf den Punkt bringt.
Mit langjähriger Praxis in Führungspositionen und als Coach für Top-Entscheider begleitet sie seit über zwei Jahrzehnten Unternehmen aller Größenordnungen auf dem Weg zu zeitgemäßer Führung – praxisnah, strategisch und wirksam. Die Erkenntnisse aus ihrer Arbeit flossen in mehrere Bücher zu den Themen Selbst-Führung, Networking und Leadership in der digitalen Welt ein.
Barbara Liebermeister ist Lehrbeauftragte an der RWTH Aachen, der Hochschule Kempten u.v.a. und zudem Mentorin an hessischen Universitäten. Sie hat Wirtschaftswissenschaften studiert, einen Master in Neurowissenschaften sowie Ausbildungen als Business-, Management- und Sport-Mentalcoach absolviert.
Ausgezeichnete Arbeit: Für ihre Pionierarbeit wurde sie 2017 für den #digitalfemaleleader Award nominiert. 2018 wurde das von ihrem Institut entwickelte Analyse-Tool LEADT, das die digitale Führungsreife misst, mit dem renommierten Wolfgang-Heilmann-Preis auf der Learntec ausgezeichnet.