20. Februar 2025 – Nicht nur die Belegschaft der Unternehmen, auch die Consultingbranche ist in den zurückliegenden Jahrzehnten diverser und „frauen-freundlicher“ geworden.

Wenn ich vor circa 30 Jahren, zu Beginn meiner Beratertätigkeit, in Unternehmen kam, um dort ein Führungskräftetraining oder ein Strategie-Meeting zu leiten, registrierte ich bei den Anwesenden nicht selten ein gewisses Erstaunen: „Das ist ja eine Frau – und zudem noch eine recht junge“. Und nicht selten war ich die einzige Frau im Raum – sieht man von der eventuell anwesenden Büroangestellten ab, die das Protokoll schreiben und sich um das leibliche Wohl der „Herren“ kümmern sollte.

Unsere Gesellschaft hat sich verändert

Dies hat sich verändert. Heute ist es schlichtweg normal, dass zumindest dem Führungskreis größerer Unternehmen auch Frauen angehören. Und auch unter den Spezialisten, die beispielsweise über das für das Realisieren eines Projekts nötige technische Know-how verfügen, befinden sich heute in der Regel Frauen – auch wenn sie in diesen Expertenkreisen meist noch in der Minderheit sind.

Darin spiegeln sich gesellschaftliche Veränderungen wider. So sind heute zum Beispiel mehr Frauen berufstätig als vor 30 Jahren. Ihr Anteil an den Beschäftigten beträgt heute 46,9 Prozent. Zudem studieren mehr Frauen … und sie entscheiden sich bei der Berufswahl häufiger für Studienrichtungen und Ausbildungsberufe, die früher reine Männerdomänen waren.

Auch die Consulting-Branche hat sich verändert

Diese gesellschaftlichen Veränderungen wirken sich auch auf die Consultingbranche aus: Auch in ihr sind heute mehr Frauen in Top-Entscheider-Positionen. Dabei lässt sich in den großen Beratungsunternehmen jedoch noch häufig – so mein Eindruck – eine ähnliche Aufgabenverteilung wie in vielen Wirtschaftsunternehmen feststellen: Die weiblichen Führungskräfte sind primär für die Bereichen Marketing, Controlling und HR zuständig – was teilweise auch an den Ausbildungspräferenzen der Frauen liegt.

Die Arbeitsbedingungen in der Consultingbranche haben sich verändert

Eine Ursache, warum in der Vergangenheit Frauen eher selten Top-Entscheider-Positionen in Beratungsunternehmen innehatten, war auch: Das Berater-sein war bis vor wenigen Jahren zumeist mit einer ausgeprägten Reisetätigkeit verknüpft – häufig sogar einer mehrtägigen, die ein Übernachten in anderen Städten oder gar Ländern erforderte. Deshalb konnten oder wollten beispielsweise Frauen mit Kindern eine solche Position oft nicht wahrnehmen bzw. diese war nicht mit ihrer Lebensvorstellung vereinbar. Also präferierten sie, wenn sie die Wahl hatten, zum Beispiel häufig eine Anstellung im öffentlichen Dienst.

Die Digitaltechnik fördert bzw. erleichtert Work-Life-Balance

Dies hat sich durch den Siegeszug der digitalen Informations- und Kommunikationstechnik massiv verändert. Heute sind mit einer Beratertätigkeit deutlich geringere Reisezeiten verbunden als noch vor fünf Jahren, also in der Vor-Corona-Zeit. Und ebenso wie es in Industrieunternehmen heute Gang und gäbe ist, dass Mitarbeitende einen großen Teil ihrer Leistung im Home-Office erbringen, ist dies auch in der Beratungsbranche der Fall. Deshalb können Frauen in ihr heute leichter, ihre beruflichen Herausforderungen mit ihren privaten Verpflichtungen vereinbaren – also für die gewünschte Work-Life-Balance sorgen. Deshalb ist die These nicht gewagt: In den kommenden Jahren wird die Zahl der Frauen, die Top-Entscheider- bzw. Schlüsselpositionen in Beratungsunternehmen haben, weiter steigen.

Frauen präferieren oft noch Tätigkeit als B2C-Berater und -Coach

Und wie schaut es bei den selbstständigen Beratern und Beraterinnen aus? Auch bei ihnen werden sich Veränderungen ergeben! Aktuell ist es zum Beispiel auffallend, dass heute von den selbstständigen Beraterinnen noch überproportional viele als Life-Coaches oder Karriere-Beraterinnen tätig sind. Ihre Zielkunden sind also Privatpersonen bzw. Selbstzahler in der Regel aus der Region.

Für diese Spezialisierung bzw. Positionierung entschied sich manche Frau gewiss auch, um Herrin über die eigene Zeit zu sein und Kundentermine so vereinbaren zu können, dass diese nicht mit ihren sonstigen privaten Verpflichtungen oder Interessen kollidieren.

Deutlich seltener als Männer sind Frauen hingegen als selbstständige Berater im B2B-Bereich, also für Unternehmen, tätig. Dies dürfte auch eine zentrale Ursache dafür sein, dass selbstständige Trainer- und Beraterinnen – laut einer Untersuchung der Zeitschrift ManagerSeminare im Jahr 2023 etwa 250 Euro niedrigere Tagessätze – als ihre männlichen Berufskollegen erzielen.

Frauen sollten sich und ihre Expertise auch im B2B-Bereich selbstbewusster zeigen

Auch dies dürfte sich, so zumindest meine Hoffnung, in naher Zukunft ändern, sofern sich mehr selbstständige Beraterinnen statt auf die Zielgruppe Privatpersonen bzw. Selbstzahler auf die Zielgruppe Unternehmen spezialisieren und dieser klar und selbstbewusst vor Augen führen: „Hier bin ich und ich kann ihnen aufgrund meiner Expertise ….  folgenden Nutzen …. bieten. Und deshalb ist meine Leistung den Betrag …. wert.“

Dies wäre wünschenswert, da meines Erachtens in bestimmten betrieblichen Situationen und Konstellationen Frauen durchaus häufiger die besseren „Problemlöser“ sind. Das erfordert jedoch auch eine gewisse Haltung und ein gewisses „Self-Empowerment“ seitens der Beraterinnen. So dürfen diese zum Beispiel ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen, sondern müssen sich selbst und ihre Expertise im Markt zeigen, denn: Wer seine Expertise nicht selbstbewusst vertritt, läuft Gefahr, übersehen oder unterschätzt zu werden.

Mein Blog-Beitrag als Artikel auf Consulting.de

Der obige Blog-Beitrag von mir ist übrigens auch – in leicht modifizierter Form – als Namensartikel von mir im Dossier „Vielfalt in der Beratung“ des Online-Portals consulting.de erschienen.